Impulse zum Thema Erholung

14.04.2023

Liebe Freund`*innen des Forums der Achtsamkeit! Was wünschen wir uns nach einer anstrengenden Arbeitswoche oder nach belastenden Situationen im sozialen Umfeld? Wir wünschen uns – mehr noch – wir ersehen uns Erholung. Der Akku soll dadurch möglichst schnell wieder aufgeladen und unsere Gemütsverfassung zurück auf "heiter bis wolkig" gedreht werden. Wie und wobei wir uns entspannen ist höchst individuell. Vielleicht in der Natur, beim Sport oder auch der Couch nach Feierabend. Sobald die Belastung aufhört, stabilisieren sich allmählich die entsprechenden psychobiologischen Systeme. Nach einer bestimmten Zeitspanne erreichen wir wieder ein bestimmtes Ausgangsniveau. So wird zumindest Erholung theoretisch beschrieben. D.h. die kurzfristigen Folgen von Stress und Belastung sind grundsätzlich reversibel.

Was aber wenn es uns nicht gelingt, Entspannung, Erholung zu finden und wir das Gefühl haben, dass die Anforderungen permanent sind? Vielleicht haben wir eigene Strategien entwickelt, die uns helfen die Arbeitsanforderungen körperlich, kognitiv und emotional zu bewältigen. Physiologisch scheint dies meist besser zu funktionieren als auf psychologischer Ebene. Ohne Erholung wird Anstrengung zur Qual und verstärkt die Stressreaktion immer weiter. Die Konsequenzen für langfristig ungenügende Erholung sind dramatisch. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit eines Herzinfarktes deutlich ansteigt.

Um uns zu erholen, müssen wir neue Ressourcen gewinnen bzw. bedrohte oder verlorene Ressourcen wiedergewinnen. Dazu zählen interne Ressourcen wie Energie, Selbstwirksamkeit oder positive Stimmung. Wenn Erholungserfahrungen jedoch ausbleiben, hat dies nicht selten mit zu hoher Arbeits- oder Zusatzbelastungen zu tun. Unser Befinden am Ende eines Arbeitstages beeinflusst unser Befinden außerhalb der Erwerbstätigkeit. Wiederkehrende Gedanken, quasi das mentale Arbeitspaket, das wir mit nach Hause nehmen, führen zu Stressreaktionen auch außerhalb der Arbeit.

Erstes Warnsignal ist z.B. ein beeinträchtigter Schlaf, der nicht nur ein Symptom, sondern ein Indikator für das Entstehen einer Erkrankung sein kann. Auch unsere Tendenz Aufgaben immer weiter zu verschieben (sog. Prokrastination), scheint mit einer geringeren Schlafqualität zu korrelieren. Wir schieben so einen immer höher werdenden Berg an unerledigten Aufgaben vor uns her, der den Stresslevel weiter erhöht. Ein Teufelskreis entsteht.

Ist Urlaub vielleicht die Lösung? Urlaub hat sicherlich positive Auswirkungen auf die Gesundheit und unser Wohlbefinden. Aber diese positiven Effekte verschwinden sehr schnell. Die tägliche Erholung (arbeitsfreie Zeit, Pausen, Feierabend etc.) und die Erholung am Wochenende sind noch bedeutsamer.

Wie sollten wir diese arbeitsfreie Zeit gestalten? Nichts tun? Die Tendenz in der Freizeit "der Arbeit zu entfliehen" kann ebenfalls negative Folgen haben. Tatsächlich kann Passivität zu einem passiven Lebensstil, Langeweile, Apathie und Depressionen führen.

Aber welche Aktivitäten tragen nun zur Erholung bei? Dies mag individuell sehr verschieden sein. Wir sollten uns jedoch von Aktivitäten fernhalten bzw. diese vermeiden, die dieselben funktionalen Systeme oder internen Ressourcen beanspruchen wie die, die bei der Arbeit benötigt werden. Ein IT-Spezialist, der sich auch in der Freizeit mit EDV beschäftigt oder ein Lehrer, der in der Freizeit VHS-Kurse in seinem Fachbereich gibt, können interne Ressourcenspeicher vermutlich schlechter auffüllen.

Ein individualisiertes Erholungsprogramm sollte vier Aspekte / Ziele umfassen. 1. Kontrolle über das was ich in meiner freien Zeit tun möchte. 2. Die Fähigkeit mental ab- und umzuschalten 3. Die eigene Kompetenz und Selbstwirksamkeit erleben. 4. Wirkliche Entspannung durch Übungen und entsprechende Aktivitäten erfahren.

In unseren Achtsamkeitskursen erfahren die Teilnehmer*innen wie sie zum aktiven Gestalter ihres Lebens werden können und somit wieder die Kontrolle über ihr Leben erlangen. Die Fähigkeit der mentalen Distanz, des Loslassens von Gedanken, erleben wir z.B. in der Meditation. Wir sind nicht mehr Sklave unserer Vorstellungen, unserer Konzepte oder sonstigen mentalen Konstrukte, sondern erfahren uns neu in unsere Selbstwirksamkeit. Die achtsamkeitsbasierten Übungen dienen dazu, dass wir uns erinnern wie es ist, entspannt und glücklich zu sein – nicht nur auf dem Meditationskissen, sondern auch im Alltag.

Ich wünsche Euch / Ihnen viele solcher entspannten Momente.

Es grüßt Euch herzlich Euer

Thomas F.J. Voss